Vergnügungsreisen waren es selten, aber sie waren überlebensnotwendig: die Pilgerreise nach Jerusalem 1591, der erste Heimatbesuch eines jungen Zuckerbä- ckers im Engadin nach sechs Jahren im Ausland, der Schiffbruch eines Soldaten um 1800, Überfahrten nach Amerika,
die Besteigung einer Pyramide, die Reise eines Junglehrers ins Baltikum. Oder auch nur eine "Bildungsreise" durch die Schweiz 1866, eine besondere Schulreise bis zum ersten Flug eines alten Mannes nach Kanada, der erstmals im Leben "den Boden unter den Füssen" verliert. Um diese und viele andere spannende, lesens- werte, und eindrückliche Reiseberichte einfacher Leute wird es in der Vorlesung gehen.
Zu berichten gibt es von Gefahren, son- derbaren Erlebnissen, fremden Menschen und Sitten, wilden Tieren, Hunger und Durst. Und gelegentlich schummelt der eine oder andere Reisende.
Während Jahrhunderten mussten beson- ders junge Männer auswandern, um als Söldner oder im Gewerbe und Handel zu überleben. Die Lebensbedingun-
gen waren hart und nur wenige waren erfolgreich. Einige kehrten wohlhabend zurück, andere krank und arm. Viele sind nie mehr zurückgekehrt, haben aber noch lange Kontakte mit der Familie zuhause gepflegt. Von anderen fehlen jegliche Nachrichten. Diese Geschichte und die Dokumentation der Auswanderung wer- den kurz gestreift, mit Beispielen belegt und in den sozialen und wirtschaftlichen Kontext der Alpenbevölkerung gestellt. Behandelt werden nur authentische Be- richte, die die Beteiligten auf Romanisch verfasst haben, und zwar in allen Idio- men so, wie sie geschrieben wurden. Es handelt sich jeweils um ganz persönliche Einzelschicksale, von denen nur ein Teil für die Öffentlichkeit bestimmt war.
Die Kenntnis eines romanischen Idioms ist vorteilhaft, aber keine Bedingung für den Besuch der Vorlesungen.