The Reality of Dreams
Todesahnung und Todessehnsucht im Tagebuch der Alice James
Giulia Guarneri , Stimme und Stefan Kägi, Klavier
“I think that if I get into the habit of writing a bit about what happens, or rather doesn’t happen, I may lose a little of the sense of loneliness and desolation which abides with me.”
«Ich glaube, wenn ich mir angewöhne, ein wenig darüber zu schreiben, was passiert oder besser gesagt nicht passiert, verliere ich vielleicht ein wenig von dem Gefühl der Einsamkeit und Trostlosigkeit, das mir anhaftet.»
Mit beklemmender Offenheit setzte sich Alice James (1848-1892) in ihrem Tagebuch mit dem eigenen Tod auseinander. Aufgewachsen in einem männlich dominierten Umfeld und geprägt durch den internationalen Erfolg ihrer älteren Brüder – Henry und William – war Alice stets mit den limitierten Entfaltungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen ihrer Zeit konfrontiert. Ihr wurde der Zugang zu Bildung verwehrt, ganz nach der Überzeugung, dass Bildung der natürlichen Bestimmung der Frau nur schaden könne. Aus der sich abzeichnenden gesellschaftlichen Randexistenz in erzwungener Nutzlosigkeit entwickelte sie eine Todessehnsucht. Ausser Stande sich zum Suizid durchzuringen, fristete sie ein Dasein in einer Art Wiedergängerexistenz, immer in Vorbereitung auf den Tod.
«The Reality of Dreams» ist eine Performance, welche die Lebens- und Gedankenwelt von Alice James durch die Figurenkonstellation und ihre Aktionen, durch eine Mehrkanalklang- sowie eine Lichtinstallation darstellt. Die Klanginstallation basiert auf James’ Tagebucheintragungen und Textpassagen aus Simone Scharberts (1974) Romandebüt «du, alice. eine anrufung» (2019). Die Lichtinstallation unterstützt das Ganze in assoziativer Weise.
Anknüpfend an James’ Ausführungen stehen Gedichte von Emily Dickinson, in denen geistige Weitläufigkeit ihre Artikulation in räumlicher und sozialer Begrenztheit findet. Die Vertonung Dong Zhou’s von vier Dickinson-Gedichten, Klavierwerke von Dahae Boo und George Crumb sowie der Zyklus «Ich bin nicht tot» von Julia Schwartz und eine Uraufführung von Emre Şener bieten den Tagebuchauszügen einen musikalischen Rahmen. Giulia Guarneri und Stefan Kägi widmen sich so der Thematik der Fort-schreibung patriarchaler Macht- und Gesellschaftsstrukturen und den daraus resultierenden beschränkten Tätigkeitsfeldern von Frauen.
Eintritt
Studierende 30.–